Puccini: Tosca, Sc 69 / Act 3: "E Lucevan Le Stelle"
Jonas Kaufmann
3:22Hör an, Wolfram, hör an! Inbrunst im Herzen, wie kein Büsser noch sie je gefühlt, sucht' ich den Weg nach Rom. Ein Engel hatte, ach! der Sünde Stolz dem Übermütigen entwunden: für ihn wollt' ich in Demut büßen, das Heil erflehn, das mir verneint, um ihm die Träne zu versüßen, die er mir Sünder einst geweint! Wie neben mir der schwerstbedrückte Pilger die Straße wallt', erschien mir allzu leicht: betrat sein Fuß den weichen Grund der Wiesen, der nackten Sohle sucht' ich Dorn und Stein; ließ Labung er am Quell den Mund genießen, sog ich der Sonne heißes Glühen ein; wenn fromm zum Himmel er Gebete schickte, vergoß mein Blut ich zu des Höchsten Preis; als im Hospiz der Müde sich erquickte, die Glieder bettet' ich in Schnee und Eis. Verschlossnen Augs, ihr Wunder nicht zu schauen, durchzog ich blind Italiens holde Auen. Ich tat's, denn in Zerknirschung wollt' ich büßen, um meines Engels Tränen zu versüßen! Nach Rom gelangt ich so zur heil'gen Stelle, lag betend auf des Heiligtums Schwelle; der Tag brach an: da läuteten die Glocken, hernieder tönten himmlische Gesänge; da jauchzt' es auf in brünstigem Frohlocken, denn Gnad' und Heil verhießen sie der Menge. Da sah ich ihn, durch den sich Gott verkündigt, vor ihm all Volk im Staub sich niederließ; und Tausenden er Gnade gab, entsündigt er Tausende sich froh erheben ließ. Da naht' auch ich; das Haupt gebeugt zur Erde, klagt' ich mich an mit jammernder Gebärde der bösen Lust, die meine Sinn' empfanden, des Sehnens, das kein Büßen noch gekühlt; und um Erlösung aus den heißen Banden rief ich ihn an, von wildem Schmerz durchwühlt. Und er, den so ich bat, hub an: "Hast du so böse Lust geteilt, dich an der Hölle Glut entflammt, hast du im Venusberg geweilt: so bist nun ewig du verdammt! Wie dieser Stab in meiner Hand nie mehr sich schmückt mit frischem Grün, kann aus der Hölle heißem Brand Erlösung nimmer dir erblühn!" (Lange pause) Da sank ich in Vernichtung dumpf darnieder, die Sinne schwanden mir. Als ich erwacht', auf ödem Platze lagerte die Nacht, von fern her tönten frohe Gnadenlieder. Da ekelte mich der holde Sang von der Verheißung lügnerischem Klang, der eiseskalt mich in die Seele schnitt, trieb Grausen mich hinweg mit wildem Schritt. Dahin zog's mich, wo ich der Wonn' und Lust so viel genoß, an ihre warme Brust! (In grauenhafter Begeisterung) Zu dir, Frau Venus, kehr' ich wieder, in deiner Zauber holde Nacht; zu deinem Hof steig' ich darnieder, wo nun dein Reiz mir ewig lacht! WOLFRAM Halt ein! Halt ein, TANNHÄUSER Ach, laß mich nicht vergebens suchen WOLFRAM Halt ein! TANNHÄUSER wie leicht fand ich doch einstens dich! WOLFRAM Unsel'ger! TANNHÄUSER Du hörst, daß mir die Menschen fluchen nun süße Göttin, leite mich! (Finstere nacht; leichte Nebel verhüllen allmählich die Szene) WOLFRAM (in heftigem grausen) Wahnsinniger, wen rufst du an? TANNHÄUSER Ha! Fühlest du nicht milde Lüfte? WOLFRAM Zu mir! Es ist um dich getan! TANNHÄUSER Und atmest du nicht holde Düfte? (Die Nebel beginnen in rosiger Dämmrung zu erglühen) Hörst du nicht die jubelnde Klänge? WOLFRAM In wilden Schauern bebt die Brust! TANNHÄUSER (Immer aufgeregter, je näher der Zauber kommt) Das ist der Nymphen tanzende Menge! Herbei! herbei! Herbei, herbei zu Wonn' und Lust! (Wirre Bewegungen tanzender gestalten werden erkennbar) WOLFRAM Weh, böser Zauber tut sich auf! Die Hölle naht mit wildem Lauf. TANNHÄUSER Entzücken dringt durch meine Sinne, gewahr' ich diesen Dämmerschein; dies ist das Zauberreich der Minne, im Venusberg drangen wir ein!